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Voyeuristisches: Was die Leute so suchen
Schweinskram
Bei manchen Maschinen kann man anderen Leuten beim Suchen zugucken, Fireball und Eule bieten hierfür eine Live-Suche. Solche Zusatzdienste heißen dann nicht von ungefähr Voyeur, im Minutenrhythmus tickern die von
anderen Suchern eingegebenen Begriffe über den Bildschirm. Mit einem Klick auf die jeweilige Zeile kann man sich einklinken und die Ergebnisse gleich mit begutachten.
Einige Maschinen bieten auch Statistiken über die häufigsten Suchbegriffe, so zum Beispiel Goto mit den Top 10. Der unbedarfte Beobachter gewinnt den Eindruck,
dass sich zwischen all die Begriffe aus dem Bereich der Libido eher zufällig einer aus dem restlichen Lebensbereich schummelt.
Die Begriffe, nach denen gesucht wird, unterscheiden sich zu verschiedenen Tageszeiten doch ein wenig: Während tagsüber Worte wie Immissionsschutz, Bundestag und Elektrotechnik eingetippt werden, sondern
gierende Nutzer am Abend und nachts so ziemlich alle Begriffe ab, die in Spätshows und "Reportagen" im Fernsehen nach 23 Uhr in die Wohnzimmer gedrückt werden. Es sieht ganz so aus, als würden die
nächtlichen Internetnutzer "Hintergrundinformationen" zum abendlichen Fernsehprogramm suchen. Könnte man meinen. Den Bedauernswerten hat offenbar noch niemand gesteckt, dass all diese "Informationen" viel
billiger und bunter am Bahnhofskiosk zu haben sind. Kann denen das mal jemand sagen? Oder verbietet das die Telekom?
Jetzt aber im Ernst
Viel wichtiger als die hormongesteuerte Begriffswahl ist vielmehr die Frage, auf welchen Wegen der Recherchierende an die gewünschte Information zu gelangen hofft. So ist den Statistiken der grossen
Suchmaschinenbetreiber die Information zu entnehmen, dass weit über 80% der Suchanfragen aus einem einzigen Wort bestehen. Wer es nicht glaubt, kann tickernderweise selber nachsehen. Wie an
anderer Stelle bereits ausführlich dargelegt, ist es nur dann sinnvoll, einen einzelnen Suchbegriff in eine Volltextsuchmaschine einzugeben,
wenn es sich um einen recht speziellen Fachterminus handelt. Also gut, jeden, der ein paar Seiten der Suchfibel gelesen hat, betrifft es nicht. Aber all die anderen... Kann denen das mal jemand sagen?
Wo bin ich?
Das scheint das generelle Problem vieler Suchender zu sein. Es stellt sich nicht nur morgens, nach der wöchentlichen Orgie (oder welche Frequenz auch immer Sie bevorzugen), sondern auch tagsüber und abends,
schon vor der Klickorgie durch Zehntausende von Suchtreffern. Irgendwie ist es im richtigen Leben allen Leuten klar, dass man beim Bäcker nicht nach Schuhen fragt und im Eisenwarenladen nicht nach Brause; und dass
ein Eisenbahnschaffner, sei er auch noch so hilfsbereit, im Allgemeinen nicht so viel über die Motorsteuerung einer Boeing 747 sagen kann (ist mir jedenfalls noch nicht passiert, und ich fahre viel mit der Bahn). Wozu
auch? Dafür gibt es schließlich Fachleute.
Ich habe keine Ahnung, woran es liegt, dass in speziellen Suchmaschinen wie solchen zu Philosophie oder auch der Suchmaschine, die die Seiten der Suchfibel durchsucht, Begriffe eingegeben werden, die beim
allerbesten Willen und bei größtmöglicher Anstrengung der Fantasie überhaupt nichts mit dem Themengebiet zu tun haben. Vielleicht liegt es daran, dass der Hinweis auf die Tatsache, dass es sich um eine spezielle
Suchmaschine handelt, trotz maximaler Schriftgröße zu dezent angebracht ist? Oder daran, dass der Benutzer so konzentriert ist, dass er die Augen geschlossen hält? Alles Mutmaßungen; ich weiß es nicht.
Handelt es sich um einen magischen Reflex, der manchen Benutzer eines Computers sofort beim Erblicken einer Eingabemaske dazu veranlasst, den spontanen Gedanken, der gerade eben durchs Hirn braust,
hineinzutippen? Eröffnen sich hier grandiose Möglichkeiten der kognitiven Psychologie? Ich weiß es schon wieder nicht.
Wenn Sie die Suchfunktion der Onlineversion der Suchfibel benutzen, tun Sie mir bitte den Gefallen und tippen Sie nicht "Modelleisenbahn" oder "Mohrrübe" ein. Ich kann es nämlich im Logfile lesen und es frustriert.
Echt.
Es ist stattdessen sicher eine gute Idee, nochmal in das zentrale Kapitel zu gucken.
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